So motivierst Du Dein Pferd

Ein Pferd, das Dir jeden Wunsch von den Lippen abliest – das wär’s, oder?

Ein Partner mit dem Du durch dick und dünn gehst, der Dir schon am Koppeltor entgegen wiehert und Dir frei überall hin folgt.

Ich glaube, dass dieser Traum auch irgendwo in Dir schlummert. Denn wir wünschen uns doch alle, dass nicht nur wir Spaß mit unserem Pferd haben, sondern unser Pferd auch mit uns.

Wir möchten einfach etwas zurückgeben – und genau das macht für mich eine Facette des Zaubers der Freiheitsdressur aus.

Was ist Motivation eigentlich?

Laut der gängigen Definition ist Motivation die Haltung, in der die Motive einer Entscheidung oder Handlung zusammengefasst sind.

Klingt erst einmal sehr abstrakt. Mir hilft es, mir Motivation wie einen Antrieb oder Motor vorzustellen. Motivation sorgt für die Energie, mit der das Pferd meine Anfragen umsetzt.

Je motivierter das Pferd also ist, desto schneller, harmonischer und freudiger kommen wir in all unseren gemeinsamen Übungen voran.

Deshalb ist es mein Ziel, mein Pferd so motiviert wie möglich zu bekommen.

Motivation von innen oder außen?

Doch woher kommt diese Motivation eigentlich?

Grundsätzlich unterscheidet man 2 Arten von Motivation:

  • Intrinsische Motivation (von innen kommend)
  • Extrinsische Motivation (von außen kommend)

Intrinsische Motivation:

Sie kommt sozusagen aus dem Inneren des Pferdes. Sie entsteht aus sich selbst, der Freude am Tun und aus Vertrauen ohne Angst vor Fehlern.
Diese Form der Motivation verspricht definitiv langfristige Erfolge, weil so ein Pferd Feuer und Flamme für das gemeinsame Training mit seinem Menschen ist.

Dein Pferd kommuniziert und kooperiert freiwillig, einfach weil die Sache an sich für das Pferd unheimlich interessant und damit im Moment wahnsinnig attraktiv ist.

Extrinsische Motivation:

Das ist die häufigste Form der Motivation, mit der wir mit unseren Pferden arbeiten. Kaum ein Pferd würde sonst wohl auf die Idee kommen, sich beim Hufschmied ein Eisen aufbrennen zu lassen oder „aus Spaß“ in einen Anhänger zu steigen.

Wir rufen die extrinsische Motivation durch äußere Reize hervor. Das kann ein Lob (wie Streicheln oder Leckerlis) sein, aber auch Angst.

Wenn das Pferd zum Beispiel aus Furcht vor Druck (z.B. ein Impuls am Gebiss / Halfter oder mit der Gerte) eine Aufgabe erfüllt, ist es auch extrinsisch motiviert.

Wie motiviere ich mein Pferd jetzt „richtig“?

Grundsätzlich gibt es hier kein richtig oder falsch, schwarz oder weiß.

Vorausgesetzt natürlich, Du zwingst Dein Pferd nicht mit Gewalt dazu etwas zu tun.

Die extrinsische Motivation (von außen) ist für uns Menschen erst einmal leichter zu erreichen.

Dadurch dass ein Pferd von alleine wohl nicht auf die Idee käme, einen Reiter auf seinem Rücken zu tragen, muss es zuerst lernen, diese „Übung“ in sein Verhaltensrepertoire aufzunehmen.

Durch viel Lob von außen (z.B. Streicheln, Leckerlis oder Pausen) lernt Dein Pferd hier Schritt für Schritt, dass sich sein Verhalten (hier: Den Reiter auf dem Rücken dulden) lohnt. Sein Verhalten orientiert sich an dem zu erwartenden Erfolg: Zum Beispiel daran, dass es ein Leckerlie bekommt 😉

Diese Form der extrinsischen Motivation kann sich so sogar mit der Zeit in intrinsische Motivation verwandeln.

Hier wird die Übung dann irgendwann auch ohne Leckerli von außen als selbstbelohnend empfunden – das Pferd hat also einfach Spaß an dem, was es gerade tut und tut es deshalb gern.


Die intrinsische Motivation kann aber nur entstehen, wenn Dein Pferd sich bei Dir wohl fühlt.

Wenn Dein Pferd immer wieder positives Feedback von Dir bekommt und sich ohne Angst vor Fehlern „ausprobieren“ darf. Dein Pferd entwickelt hier eine Eigeninitiative und Kreativität, die im Training oft für schnellere Lernerfolge sorgt.

Diese „freiwillige Basis“ ist also auf jeden Fall die Form der Motivation, die ich langfristig anstrebe.

Denn wir alle wünschen uns ja ein Pferd, das Freude an dem hat, was wir zusammen erleben.

Doch es braucht Zeit und einen konkreten Plan, um aus der extrinsischen eine intrinsische Motivation entstehen zu lassen.

Schritt für Schritt zum motivierten Pferd:

Zuerst einmal musst Du Dein Pferd gut kennenlernen.

Es ist wichtig, dass Du nicht nur seinen Typ kennst, sondern auch kleinste Signale und seine Körpersprache gut „lesen“ kannst. Denn nur so kannst Du herausfinden, welche Vorlieben und Abneigungen Dein Pferd hat.

Die meisten Menschen sehen, wenn sich ein Pferd steif macht, den Schweif einklemmt oder die Ohren anlegt – und wissen was diese Signale bedeuten: Ein verspanntes Pferd, das keine Lust hat mit Dir zu arbeiten.

Doch es gibt noch so viele, viel feinere Signale, die Dein Pferd Dir sendet, um zu zeigen, dass es sich mit der Übung, die Du gerade angefragt hast, nicht wohl fühlt.

Wir wünschen uns ja, dass unser Pferd in den Lektionen strahlender und größer wird und man das Funkeln in seinen Augen sieht. Deshalb solltest Du ganz genau wissen, wie das Schmerz- und Stressgesicht Deines Pferdes aussieht.

Ich möchte Dir hier einfach einige Merkmale auflisten, die Dir zeigen, dass Dein Pferd gerade nicht sehr glücklich ist:

  • zusammengekniffene Lippen
  • schmal gezogene, längliche Nüstern
  • aufgerissene Augen
  • zusammengebissene Zähne und ein verspannter Kiefer
  • ein aufgerissenes Maul
  • eingefallene Augenpartie
  • herausgedrückter Unterhals
  • kurze, verhaltene Tritte
  • schlagender Schweif


Siehst Du solche Merkmale an Deinem Pferd heißt es jetzt Ursachenforschung betreiben!

Denn Du solltest diese Merkmale nicht einzeln und für den Moment analysieren, sondern das ganze Pferd und alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Deute diese Signale nicht als Momentaufnahme, sondern beobachte sie während Deines kompletten Trainings! Nur so kannst Du die Ursache wirklich erkennen.

Stell Dir vor, es ist Sommer.

Du gehst mit Deinem Pferd durch ein sumpfiges Waldstück spazieren. Dein Pferd möchte ständig antraben, schlägt mit dem Schweif und dem Kopf, kneift seine Lippen zusammen und der Kiefermuskel ist deutlich zu sehen – Das liegt wahrscheinlich nicht an Dir!

Vermutlich ärgern ständig irgendwelche Stechmücken oder Bremsen Dein Pferd, sodass es sich kaum auf Dich konzentrieren kann.

Anders sieht es aus, wenn Du im Winter mit Deinem Pferd in der Reithalle stehst. Du möchtest, dass es antrabt, doch es schlägt nur unwillig mit dem Kopf, lässt als Reaktion auf Deine treibenden Impulse nur den Schweif durch die Luft sausen und presst seine Lippen aufeinander.

Dann hast Du vermutlich ein Pferd vor Dir, das eher ruhig und träge ist und es für keine gute Idee hält, sich an der Longe schneller zu bewegen. (Vorausgesetzt, es hat keine Schmerzen!)

Solche Anzeichen können auch auftreten, wenn Dein Pferd Deine Hilfen nicht versteht oder schlichtweg überfordert ist. Die Deutung der Signale Deines Pferdes ist am Ende also genauso individuell wie Dein Pferd – und Dein Einfluss als Trainer ebenfalls.

Wie sieht also ein Pferd aus, das mit sich und der Welt im Reinen ist und Spaß an der Arbeit hat?

Auch dafür möchte ich Dir einige Merkmale nennen, die Dir zeigen, dass sich Dein Pferd wohl fühlt:

  • entspanntes, aufmerksames Ohrenspiel
  • entspannte, hängende Lippen
  • ruhig pendelnder Schweif
  • raumgreifende, flüssige Tritte
  • sanft gebogene Halslinie auf Buggelenkshöhe getragen
  • offenes, ruhiges Auge
  • runde, entspannte Nüstern
  • entspannte Kieferpartie


Auch diese Liste ist keineswegs vollständig. Doch sie vermittelt Dir einen ersten Eindruck, wie ein entspanntes Pferd aussieht.

Schwieriger wird es dann, ein konzentriertes Pferd von einem gestressten Pferd zu unterscheiden.

Das auffälligste Anzeichen für ein konzentriertes Pferd sind wohl seine Ohren, die aufmerksam auf den Trainer gerichtet sind, um jedes feine Signal von ihm direkt umzusetzen und nichts zu verpassen.

Mit etwas Übung erkennst Du aber sicher schnell, wann der Gesichtsausdruck Deines Pferdes verkniffen oder einfach hoch konzentriert ist.

Du solltest Dich also intensiv mit der Körpersprache und Mimik der Pferde auseinander setzen und die Eigenheiten Deines Pferdes deuten lernen.

Es ist daher wichtig ganz genau heraus zu finden, was Dein Pferd wirklich als Belohnung empfindet. Denn hängt ganz von Deinem Pferd ab!

Motivation – der “richtige Knopf” in der Praxis

Wie auch Du hat also jedes Pferd ganz individuelle Vorlieben und Abneigungen.

Du solltest also am Anfang erst einmal heraus finden, was Dein Pferd von außen dazu motiviert, gerne mit Dir zu arbeiten.

Was bringt es dazu, sich darum zu bemühen, die Aufgaben, die Du ihm stellst, gerne umzusetzen?

Im Folgenden gebe ich Dir jetzt ein paar Beispiele, die je nach Pferdetyp eine Belohnung sein können, für die Dein Pferd gerne arbeitet.

Es ist aber wichtig, dass Du sehr feinfühlig im Training mit Deinem Pferd darauf achtest, was es wirklich als Lob empfindet – denn das ist ja ganz individuell, genauso wie der Charakter Deines Pferdes!

Das Stimmlob

Die gängigste Form von Belohnung ist wohl ein lobendes Wort.

Achte hier darauf, dass Dein Pferd Dein Stimmsignal nicht nur über Deine Stimmlage als angenehm und lobend empfindet, sondern es auch fest positiv verankert hat.

Dazu solltest Du das Lob am Anfang zum Beispiel etablieren, indem Du es immer wieder wiederholst, während Du Dein Pferd an seiner Lieblingsstelle kraulst oder ihm eine wohl verdiente Pause gönnst.

Pferde sind zwar sehr gut darin, unsere Emotionen und Absichten zu erkennen, es schadet jedoch nicht, wenn Dein Pferd eine direkte Verknüpfung zwischen Deinem Lobwort und einem positiven Gefühl in einer entspannten Situation herstellen kann.

Nähe als Lob

Natürlich kannst Du auch das Kraulen direkt als Lob einsetzen.

Es ist jedoch wichtig, dass Dein Pferd das Kraulen als Lob empfindet!

Ich sehe es in meinen Kursen häufig, dass Pferde mit Streicheleinheiten überschüttet werden, diese aber gar nicht genießen können. Entweder sie sind mit der Aufmerksamkeit ganz woanders oder empfinden die Nähe sogar als störend.

Achte also immer auf die Mimik Deines Pferdes und darauf, ob es das Kraulen angenehm findet.

Wird die Oberlippe Deines Pferdes immer länger und bekommt sein Gesicht einen ganz verklärten Blick, machst Du definitiv nichts falsch – und für Dein Pferd sind die Streicheleinheiten gerade das größte Lob!

Die Futterbelohnung

Auch ich arbeite ab und an gerne mit Leckerlis.

Es sollte hier ganz klare Regeln geben, um Dein Pferd nicht zum Betteln, Schnappen oder Drängeln zu erziehen!

Dosiert eingesetzt kann ein Leckerli aber wahre Wunder wirken, wenn Dein Pferd etwas neues Lernen soll oder Du es so loben möchtest, dass die Reaktion eine bleibende Erinnerung hinterlässt.

Deshalb arbeite ich zum Beispiel während des Zirkuslektionentrainings extrem gerne mit Leckerlis.

 


Eine Karotte, die das Pferd im Kompliment, Knien oder Liegen fressen darf ist ein unheimlich positiver Impuls von außen, der das Pferd darin bestärkt, dieses Verhalten wieder zu zeigen. Denn vor allem diese Übungen in die Tiefe sind meistens nicht selbstbelohnend, wie beispielsweise der spanische Schritt!

Es geht also nicht nur grundsätzlich um ein gezielt eingesetztes Lob, sondern auch um die richtige Situation in der Du es einsetzt!

Die Lieblingsübung

Wenn die Umstände es zulassen, kann es für Dein Pferd auch unheimlich motivierend sein, wenn es seine Lieblingsübung zeigen darf.

Diese Übung erkennst Du daran, dass Dein Pferd sie immer prompt und freudig wiederholt – und gerne mit ihr bettelt 😉

Indem sich Dein Pferd in dieser Übung zeigen und präsentieren darf, gewinnt es oft an Selbstbewusstsein und hat Freude am Tun selbst – diese Form der Belohnung kommt der Motivation von innen heraus also schon näher.

Dazu kann es zum Beispiel auch gehören, dass Dein energiegeladenes Pferd, nachdem es eine Weile still stehen musste, sich endlich bewegen und sich mal so richtig ausbocken darf.

Jedes Pferd hat hier andere Vorlieben!

Eine Pause als Lob

Je nach Situation kann auch eine Pause oder das Ende des Trainings eine tolle Belohnung für Dein Pferd sein!

Hier hat es Zeit, sich zu entspannen, über die Übung nachzudenken und neue Kraft zu tanken.

Nach einer körperlich oder geistig anstrengenden Übung, zum Beispiel der Piaffe oder einer neu erlernten Lektion, wie dem Apportieren, kann eine Pause, die Lektion gut festigen. Vor allem ruhige, eher träge Pferde empfinden so eine Pause als Lob, da sie froh sind, wenn sie sich für einen Moment entspannen dürfen.

Aber auch hibbelige Pferde können diesen Augenblick der Ruhe wirklich genießen, wenn sie gelernt haben, Dir zu vertrauen. Sie haben oft das Bedürfnis ihre Umgebung ständig im Blick zu behalten und fühlen sich entlastet, wenn sie Dir zutrauen, dass Du diese Aufgabe für sie übernimmst und sie einfach mal abschalten können.

Denk trotzdem daran, dass einige Pferde die Pause auch als Bestrafung empfinden können! Ihnen wird all das Positive (Kraulen, Leckerlis, Abwechslung, Kontakt zum Menschen) genommen.

Achte also ganz genau darauf, ob Dein Pferd für einen positiven Abschluss Eurer Einheit nicht doch nochmal gekrault werden möchte!

Die richtige Belohnung finden

Denk einfach immer daran, dass die richtige Form der Belohnung auch von der Tagesform Deines Pferd abhängen kann und je nach Situation variiert.

Es macht also Sinn, wenn Du Dir einen kleinen “Belohnungs-Katalog” zulegst, aus dem Du immer wieder aufs Neue das passende Register ziehen kannst.

Pferdetraining ist einfach niemals eintönig und funktioniert nie nach Schema F. Probiere einfach immer wieder aus, worauf Dein Pferd gerade am besten reagiert. Die meisten Pferde zeigen nach und nach ziemlich deutlich, was sie wirklich motiviert.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Das Wichtigste in Sachen Lob ist es übrigens, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen!

Nur wenn Du in der richtigen Sekunde lobst, kann Dein Pferd einen Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und Deiner Bestätigung herstellen. Und nur so wird es das Verhalten wieder zeigen!

Und auch die Dosis macht’s: Überlege Dir eine Art Lobpyramide, in der es vom “kleinen Lob” bis zum “Jackpot” unterschiedliche Abstufungen gibt.

Zeigt Dein Pferd beispielweise eine Übung, die es schon im Schlaf beherrscht, sollte Dein Lob geringer ausfallen, als bei einer neuen Übungen.

Legt es sich zum Beispiel das erste Mal komplett ab, hat es einen Jackpot verdient: Beispielsweise eine ganze Handvoll Leckerlis und eine ausgedehnte Pause im Anschluss.

Auch hier hängt das beste Lob zum aktuellen Zeitpunkt immer von Deinem Pferd ab! Doch es ist ungemein wichtig, damit Dein Pferd langfristig Spaß an Eurer gemeinsamen Arbeit hat!

Beende eine Übung deshalb auch IMMER mit einem positiven Ergebnis – auch wenn das nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist!

Grundsätzlich gilt: Lobe lieber zu viel als zu wenig 😉

Doppelt gemoppelt hält besser!

Das Lob hat übrigens nicht nur für sich einen tollen Effekt: Du zeigst Deinem Pferd damit auch, dass Du voll bei der Sache bist und Dich ganz auf Dein Pferd konzentrierst.

Damit erweist Du ihm Respekt und kannst viel eher von ihm erwarten, dass es auch Dir seine ganze Aufmerksamkeit schenkt.

So schafft ein Lob neben mehr Motivation auch noch mehr Aufmerksamkeit!

Fazit:
Lob motiviert nicht nur, es steigert auch den Trainingserfolg und sorgt für eine entspannte Arbeitsatmosphäre.

Ich wünsche Dir ganz viel Spaß beim Ausprobieren und viel Erfolg dabei, den Knopf zu finden, der Dein Pferd wirklich motiviert!

Achte dabei immer auf seine Körpersprache und Mimik, dann findest Du sicher den Weg, der für Euch beide passt und Dir und Deinem Pferd viel Freude macht!

Alles Liebe
Deine Kenzie

"So startest Du erste Führübungen in der Freiarbeit..."

DIE ERSTE FÜHRÜBUNG

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner