Willst Du herausfinden, wer Du für Dein Pferd bist
Eine Frage, die erst einmal ungewöhnlich klingt, oder?
Wer sollst Du für Dein Pferd schon sein?
Und was ist die richtige Antwort auf diese Frage?
Ich denke, eine allgemein gültige Antwort gibt es auf diese Frage nicht, denn wir alle sind genauso individuell wie unsere Pferde – und damit ist jede Pferd-Mensch-Kombination einzigartig.
Ganz unabhängig davon, gibt es jedoch ein paar Eigenschaften, die Dir im Pferdetraining helfen können. Die dafür sorgen, dass Du schneller und leichter mit Deinem Pferd voran kommst.
Ob Du dafür jemand anderes werden musst? Natürlich nicht! Und dennoch kannst Du von diesen Eigenschaften auch im Alltag profitieren. Aber starten wir von vorn ?
Was wünscht sich Dein Pferd?
Bestimmt ist Dir klar, dass Dein Pferd sowohl ein Fluchttier als auch ein Herdentier ist. Als Beutetier ist sein höchstes Ziel zu überleben. Und auch wenn das in den heutigen Reitställen nicht mehr allzu schwer ist, kann Dein Pferd diese Instinkte niemals völlig ablegen.
Was brauchst Du also nun, um diese Instinkte in mehr oder weniger kontrollierte Bahnen zu lenken? Vor allem wenn Du alleine mit Deinem Pferd unterwegs bist und es trainierst?
Zuerst musst Du einmal die Rolle des „Leittieres“ übernehmen. Das ist für Dich sicherlich nichts neues. Aber wie sieht das konkret aus? Und warum braucht Dein Pferd Dich als „Führungspersönlichkeit“ und nicht als ebenbürtigen Kumpel?
In unserer modernen, dicht besiedelten Welt mit Autos, LKWs & Co. braucht es grundsätzlich schon einmal gewissen Regeln, damit Dein Pferd sich selbst & andere nicht in Gefahr bringt.
Du solltest beispielsweise immer dafür sorgen können, dass Dein Pferd, wenn es sich denn doch mal erschrickt, nicht völlig kopflos und panisch flüchtet – und womöglich auf die nächste Autobahn rennt.
Dazu musst Du allerdings ganz klar die Führung übernehmen und Deinem Pferd Sicherheit vermitteln. Es muss spüren, dass Du alles im Griff hast und in der Lage bist, dafür zu sorgen, dass ihm – und Dir – nichts passiert. So weit so gut, aber einfacher gesagt als getan, oder?
Wie fühlt sich jemand, der alles im Griff hat?
Du kennst das bestimmt aus Deinem Alltag: Es gibt Menschen, die ruhen wirklich in sich. Man hat das Gefühl, ihnen geht alles leicht von der Hand – und sie haben alles im Griff.
Sie sind also selbstsicher, wissen was sie können und vertrauen darauf, dass sie alle Herausforderungen meistern können. Achtung, das hat nichts mit Leichtsinn zu tun! Dieses Gefühl spiegelt sich auch in ihrer Körperhaltung: Sie gehen aufrecht, mit erhobenem Kopf, die Schultern hängen locker zurück und ihre Schritte sind groß und federnd.
Stell Dir jetzt mal das Gegenteil vor: Jemanden, der gebückt vor sich hin schlurft, die Augen starr auf den Boden gerichtet, die Schultern nach vorne oben gezogen. So jemand sieht nicht nur so aus, als würde er jeden Moment zusammen sacken – so jemand fühlt sich in der Regel auch so.
Denn unser Körper und unsere Gefühle sind miteinander verbunden! Wenn wir uns schlecht fühlen, lassen wir im wahrsten Sinne des Wortes schnell den Kopf hängen.
Fühlen wir uns hingegen gut und sind voller Vertrauen und Lebensfreude, sieht man das in der Regel schon an unserem federnden Gang. Was aber tun, wenn Dir gerade noch die nötige Selbstsicherheit fehlt?
Das Zusammenspiel von Deinem Körper & Deinen Gefühlen
Auch wenn das vielleicht im ersten Moment komisch klingt: Sorge dafür, dass Du die körperliche Haltung eines selbstbewussten Menschen einnimmst.
Denn nicht nur unsere Gefühle beeinflussen unseren Körper – unser Körper beeinflusst auch unsere Gefühle.
Du kannst das gerne direkt einmal testen: Mach Dich ganz klein, lass die Schultern und den Kopf hängen und schaue auf den Boden – und bleib so für eine Minute stehen. Kannst Du Dich dabei gut fühlen?
Probiere anschließend was sich verändert, wenn Du Dich aufrecht hin stellst, die Schultern locker nach hinten nimmst, Brust und Kopf hebst und nach vorne schaust. Ändert sich etwas an Deinem Gefühl?
Da wir die meiste Zeit des Tages im Sitzen verbringen, neigen wir dazu das Gefühl für unseren Körper immer mehr zu verlieren. Doch im Pferdetraining ist unsere Körpersprache ja DAS Kommunikationsmittel schlechthin!
Da ist es unabdingbar, auch kleine Veränderungen wahrzunehmen – nicht nur beim Pferd, sondern auch bei Dir selbst. Denn Dein Pferd registriert jede kleine Veränderung sowieso ganz schnell. Es ist sozusagen als Fluchttier darauf programmiert.
Wenn Du nun also dafür sorgst, Dich wie ein selbstsicherer Mensch zu bewegen, wird auch das Gefühl irgendwann nachkommen – und Dein Selbstvertrauen wird mit jedem kleinen Erfolgserlebnis weiter wachsen. Verlange am Anfang nicht zu viel von Dir!
Auch Du darfst Dich selbst in kleinen Schritten „trainieren“ – so wie Du es auch bei Deinem Pferd machen würdest.
Doch was gehört noch zu den Charaktereigenschaften eines guten Leittiers, die sich vielleicht schneller umsetzen lassen? Bevor Du die Selbstsicherheit in Person wirst und alleine Dein Auftreten dafür sorgt, dass Dein Pferd sich Dir gerne anschließt? ?
Regeln sind Regeln!
Für mich auch ganz vorne mit dabei: Konsequenz. Ich weiß, dass es auch nicht immer leicht fällt, wirklich konsequent zu sein.
Doch die Beziehung zu Deinem Pferd profitiert davon enorm! Wenn Du Regeln aufstellst, die Dein Pferd IMMER einhalten muss, weiß Dein Pferd auch immer woran es ist – und das hat für ein Pferd absolute Priorität!
Denn dadurch wirst Du als Leittier berechenbar.
Vielleicht kennst Du folgende Situation: Du kommst ausgelassen in den Stall, möchtest nur etwas mit Deinem Pferd kuscheln. Du kraulst es und es „kuschelt“ zurück indem es an Deiner Tasche voller Leckerlis zupft und herum spielt.
Du lachst, weil es dabei die Oberlippe so süß vorschiebt und irgendwann bekommt es natürlich ein Leckerli – ihr hattet einfach eine gute Zeit zusammen!
Am nächsten Tag hast Du Reitstunde. Deine Reitlehrerin hält nichts davon, Leckerlis zu füttern. Du führst Dein Pferd also in die Reithalle und unterhältst Dich noch kurz mit Deiner Trainerin.
Dein Pferd knabbert dabei sanft an Deiner Tasche in der Hoffnung, dass doch noch ein Keks abfällt, so wie gestern auch. Du holst aber aus und gibst ihm für dieses Verhalten einen Klaps auf die Nase.
Was für uns Menschen vielleicht noch logisch erscheint, ist für Dein Pferd nun absolut nicht nachvollziehbar! Warum darf es an einem Tag an Deiner Taschen knabbern und am anderen wird es dafür bestraft?
Dein Pferd kann nicht mehr einschätzen, was Du wirklich von ihm möchtest – Dein Status als zuverlässiges Leittier bröckelt. Wer weiß schon, ob Du die Umwelt so gut im Blick hast, wenn Du Dich nicht einmal an Deine eigenen Regeln hältst…?
Kontrolliere Deine Emotionen!
Versuche im Pferdetraining Deine Gefühle außen vor zu lassen.
Wir Menschen neigen oft dazu, auch unser Pferd zu vermenschlichen und ihm niedere Beweggründe zu unterstellen. Wer von uns kennt es auch nicht? „Der veräppelt Dich nur – jetzt hau’ mal richtig drauf!“
Natürlich testet unser Pferd unsere Fähigkeiten als Leittier immer und immer wieder – doch nicht, weil es uns auf den Arm nehmen will. Nein. Es will lediglich wissen, dass Du immer noch für seine Sicherheit sorgen kannst und es Dir auch heute sein Leben anvertrauen kann.
Und mit Ruhe & Konsequenz wirst Du dabei viel weiter kommen als mit Aggression oder Gewalt!
Wir sollten uns einfach davon verabschieden, unsere Pferde zu vermenschlichen oder ihnen böse Absichten zu unterstellen.
Pferde sind Energiesparer, die manchmal überzeugt werden wollen. Sie sind Fluchttiere, die sich im Zweifelsfall auch vor Nichtigkeiten erschrecken. Sie sind Herdentiere, die ihren Strukturen und „Hierarchien“ gesichert wissen wollen. Nicht mehr und nicht weniger.
Du brauchst also nicht enttäuscht sein, wenn etwas mal nicht so klappt, wie Du es Dir vielleicht vorgestellt hast. Gerade in solchen Situation, solchen „Prüfungen“, kannst Du Deinem Pferd beweisen, dass Du ganz genau weißt, was Du willst.
Habe deshalb unbedingt einen konkreten Plan im Kopf, was Du Dir in jeder Sekunde von Deinem Pferd wünschst – denn nur so kannst Du mit gutem Timing korrigieren oder loben und das Training in die von Dir gewünschte Richtung steuern.
Je klarer das Bild in Deinem Kopf umso leichter die Umsetzung – und selbst wenn es mal nicht klappt ist das Deine Chance! Denn auch von Fehlern kann Eure Beziehung langfristig profitieren.
Denk einfach immer daran: Dein Pferd sieht nicht nur Deine Körpersprache. Es spürt Deine Gefühle. Deine Energie. Deine inneren Bilder. Nutze auch dieses „Werkzeug“ positiv, um das Training mit Deinem Pferd auf eine ganz neue Stufe zu bringen!
Auf den Punkt gebracht
Probiere diese 3 Tipps doch in der kommenden Woche mal aus und beobachte, wie sich die Reaktionen Deines Pferdes auf Dich verändern.
- Dein Körper beeinflusst Deine Gefühle und umgekehrt. Also fühl Dich selbstbewusst – und wenn Du es nicht fühlst, gehe, stehe und bewege Dich selbstbewusst, dann wirst Du auch selbstbewusster.
- Sei konsequent, denn nur so bist Du für Dein Pferd berechenbar!
- Kontrolliere Deine Emotionen & sieh jede Herausforderung als Chance!
Auch wenn die Beispiele vielleicht etwas überspitzt formuliert sind, finde ich, dass sie ganz gut zeigen, welche Verwirrung und Verunsicherung Du mit augenscheinlichen Kleinigkeiten bei Deinem Pferd auslösen kannst.
Denn Dein Pferd nimmt jedes Signal, jede Nuance, jedes Gefühl noch viel feiner wahr als Du – schließlich kommuniziert es den ganzen Tag nonverbal über kleinste Gesten.
In der Summe kommt es tatsächlich auf diese Kleinigkeiten an, die eine wirklich gute Beziehung zwischen Dir und Deinem Pferd ausmachen. Frag Dich also in Zukunft öfter: Wer bist Du für Dein Pferd? Und würdest Du, diesem Menschen Dein Leben anvertrauen? ?
Wenn Dir diese Übung schwer fällt, lass Dich einfach mal beim Pferdetraining filmen und analysiere anschließend, wo noch Verbesserungspotential liegt. Scheu Dich auch nicht vor „Trockenübungen“ ohne Pferd! Dein Training wird mit Sicherheit davon enorm profitieren!
Wer bist Du für Dein Pferd? Hier ein kurzer Ausschnitt zum Thema aus meinem Online Intensivseminar.
In diesem Sinne viel Spaß beim Schulen Deiner Selbstwahrnehmung! ?
Alles Liebe,
Kenzie