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Willst Du wissen, wie der Charakter Deines Pferdes Euren Erfolg beim Pferdetraining beeinflusst

Dir sind bei Deinem Pferd bestimmt schon Charakterzüge aufgefallen, die es zu etwas ganz Besonderem machen?

Eigenschaften mit Ecken und Kanten, die ihm eine eigene Persönlichkeit verleihen?

Ich glaube daher, dass unsere Verbindung zu jedem einzelnen Pferd etwas ganz Besonderes ist.

Unsere Pferde sind ziemliche Charakterköpfe, oder?

Welchen Charakter hat Dein Pferd?

Mir fällt bei meinen eigenen Pferden jeden Tag auf, wie unterschiedlich sie sind: Wo Atila gerne mal den Macho heraushängen lässt, ist Sasou eher ein kleiner, eifriger Kasper, der mich immer wieder zum Lachen bringt.

Deshalb müssen wir vor allem im Training mit jedem Pferd unseren ganz eigenen Rhythmus finden.

Für mich ist es jedes Mal sehr hilfreich, bei einem fremden Pferd die Rasse zu analysieren.

Dadurch weiß ich bereits im Vorfeld, welche rassetypischen Charakterzüge ihm womöglich in die Wiege gelegt worden sind. Wenn ich diese Charakterzüge von Anfang an berücksichtige, kann ich das Training – bevor ich das Pferd näher kenne – viel motivierender gestalten.

Ich bin mir sicher, dass auch Du schon die Erfahrung gemacht hast, dass ein Araber in der Regel deutlich nervöser ist als ein Haflinger.

Aber weißt Du auch, woher dieser Unterschied kommt?

Die Sache mit der Evolution…

Stell Dir die Pferde dazu einfach mal vor ein paar hundert Jahren vor…

…den Araber in der Wüste und den Haflinger vom alten Schlag in den Bergen.

Wenn jetzt „Gefahr“ droht, muss das Pferd als Fluchttier zusehen, dass es die Situation bestmöglich für sich meistert – und überlebt.

Denn wenn ein Pferd erstmal verletzt ist, wird aus dem verletzten Pferd schnell auch ein totes Pferd.

Kampf oder Flucht?!

Natürlich denkt man beim Fluchttier Pferd immer zuerst daran, dass es bei Gefahr flüchtet – doch ganz so einfach ist es nicht!

Genauso wie bei allen anderen Säugetieren bleiben dem Pferd in Gefahrensituationen bzw. bei Stress  4 Strategien, um zu reagieren:

  1. Fight (Kampf)
  2. Flight (Flucht)
  3. Freeze (Einfrieren / Verharren)
  4. Flirt (Kommunikation)

In den Kampf ziehen in Gefahren- bzw. Stresssituationen zu unserem Glück nur die wenigsten Pferde!

Allerdings wenden Pferde je nach Situation in Gefahren- bzw. Stresssituationen neben der Flucht durchaus auch die Freeze oder Flirt Strategie an.

Charakter von Steppen- vs. Gebirgspferden

Stell Dir dazu am besten nochmal unsere Pferde vor ein paar hundert Jahren vor:

Der Araber in der Wüste startet also beim leisesten Geräusch direkt durch und flieht einige hundert Meter in der kaum bewachsenen Steppe. Erst wenn er genügend Distanz zwischen sich und die Gefahr gebracht hat, bleibt er stehen, um zu schauen, ob er noch weiter flüchten muss oder sich die Situation in Wohlgefallen aufgelöst hat.

Stell Dir jetzt kurz vor, was passieren würde, wenn der Haflinger im Gebirge genauso reagiert.

Beim leisesten Rascheln stürmt er kopflos davon – und stürzt die nächste Klippe hinunter.

Um zu überleben, macht es für den Haflinger, im Gegensatz zum Araber, also viel mehr Sinn, erst einmal zu schauen, ob wirklich Gefahr droht. Denn eine Flucht über Stock und Stein kann für den Haflinger sehr viel schneller mit einem gebrochenen Bein enden.

So hat die Natur also schon seit Jahrhunderten die Vorfahren unserer heutigen Rassevertreter selektiert:

Die eher ängstlichen und weniger nervenstarken Haflinger sind häufig dem unwegsamen Gelände zum Opfer gefallen.

Daher konnten sich nur die Haflinger fortpflanzen, die nicht kopflos davon gerannt sind, wenn der Wind im Gebüsch geraschelt hat.

Bei den Vorfahren der Araber war es aber umgekehrt:

Die Pferde, die nicht schnell genug geflohen sind, waren für das herannahende Raubtier leichte Beute, weil sie ihm schutzlos ausgeliefert waren und in der Steppe nicht schnell genug davon kamen.

Fortpflanzen konnten sich demnach die Araber, die besonders schnell geflohen sind.

Instinkt vs. Vertrauen

Für Dein Pferd macht sein Verhalten, wie es mit Gefahrensituationen oder Stress umgeht, evolutionsbedingt also durchaus Sinn.

Es hat erstmal nichts damit zu tun, dass Dein Araber Dir nicht vertraut und deshalb beim Ausritt deutlich ängstlicher ist als sein Haflinger-Kumpel.

Es folgt einfach nur seinem Instinkt.

Das zu wissen, schafft hoffentlich mehr Verständnis auf beiden Seiten.

Du weißt jetzt, warum Dein Haflinger oft so stoisch reagiert und in gefährlichen Situationen erstmal stur stehen bleibt.

Außerdem kannst Du Dich jetzt selbst besser dazu motivieren, mit Deinem Pferd daran zu arbeiten, dass es Dir noch mehr vertraut.

Wenn Dein Pferd erst einmal gelernt hat, dass ihm unter Deiner Führung nichts passiert, verlässt es sich irgendwann auch in schwierigen Situationen immer öfter auf Dich anstatt auf seinen Instinkt.

Wie findest Du heraus, zu welchem Typ DEIN Pferd gehört?

Am schnellsten kannst Du die Tendenz in eine Richtung der oben erwähnten 4 Strategien im Umgang mit Gefahren- bzw. Stresssituationen erkennen, wenn Du mit Deinem Pferd “gefährliche Situationen” durchlebst – natürlich am besten kontrolliert!

Dadurch wächst nicht nur Euer Vertrauen ineinander, sondern Du lernst Dein Pferd auch besser einzuschätzen und seine Reaktionen vorauszuahnen.

Dazu kannst Du es einfach mit neuen Gegenständen konfrontieren – zum Beispiel einer Plane.

Wie meisterst Du gefährliche Situationen zusammen mit Deinem Pferd?

Breite die Plane über eine größere Fläche auf Deinem Platz oder in der Reithalle aus und beschwere die Ecken jeweils mit einem Hütchen. So kann die Plane nicht plötzlich im Wind flattern und Dein Pferd noch mehr in Panik geraten.

Dann sind Deine Führungsqualitäten gefragt!

Gehe selbstbewusst mit Deinem Pferd auf die Plane zu. Lass ihm Zeit, den neuen Gegenstand zu begutachten und zu beschnuppern. Am Anfang solltest Du darauf gefasst sein, dass Dein Pferd zurückweicht oder mal einen Satz zur Seite macht. Lass Dich dadurch einfach nicht aus dem Konzept bringen, sondern führe Dein Pferd immer wieder geduldig und ruhig an die Plane heran, bis es sich traut, den ersten Fuß darauf zu setzen.

Das ist für Dein Pferd schon eine tolle Leistung! Da es mit dem neuen Untergrund nichts anfangen kann, könnte er nämlich auch ein Abgrund sein – kommt es nun hinter Dir über die Plane gelaufen, zeigt es also schon eine Menge Vertrauen in Dich! Und es hat fast nebenbei gelernt, dass es sich auch in gefährlichen Situationen auf Dich verlassen kann. Denn Du strahlst für Dein Pferd Sicherheit aus und das gibt ihm Vertrauen in Dich!

Welchen Charakter hat Dein Pferd: die Typ-Frage

Je nachdem wie Dein Pferd nun in diese ungewohnte Situation gestartet ist, kannst Du erkennen, zu welcher Kategorie Dein Pferd tendenziell gehört.

Ist es zunächst stocksteif stehen geblieben, als es die Plane gesehen hat? Dann ist es eindeutig der “Freeze-Typ” – wie der Haflinger in unserem Beispiel.

Oder hat es gleich versucht davonzurennen, nur um sich auf gar keinen Fall diesem furchteinflößenden Gegenstand zu nähern? Dann ist Dein Pferd wohl der “Flight-Typ”, wie der Araber in unserem Beispiel.

Falls sich Dein Pferd voller Vertrauen mit Dir von Anfang an der Plane genähert hat, hat es vielleicht schon gelernt, dass sich Kommunikation bzw. Interaktion mit dem Menschen oder Gegenständen lohnen.

Es wählt also im Zweifelsfall die Variante “Flirt”, um neuen Situationen gegenüberzutreten – eine gute Ausgangsposition für Euer weiteres Training!

In den seltensten Fällen hat Dein Pferd wahrscheinlich die Plane direkt angegriffen, nehme ich an. Theoretisch wäre das zwar möglich, ich habe es allerdings noch nie beobachtet. 😉

Natürlich gibt es Pferde, die sind mutiger als andere und scharren direkt auf der Plane, um die “Konsistenz” und “Festigkeit” des Untergrundes zu testen. Das hat jedoch nichts mit Aggression zu tun, sondern vielmehr mit Neugier und Mut. Oft hat dieses Verhalten auch eine spielerische Komponente und wird vor allem von jungen Pferden gezeigt.

Fideo, mein kleiner Spanier, den die Teilnehmer des 1. Online-Intensiv-Seminars kennengelernt haben, ist zum Beispiel so ein Exemplar. Er stammt aus einer Stierkampflinie und ist dementsprechend ein sehr mutiges Pferd, das versucht hat, der Plane mit Imponiergehabe zu “drohen”. Sein Verhalten hatte aber eher eine spielerische Komponente und es war seine Strategie, die eigene Unsicherheit zu überspielen.

Hier siehst Du in einem kurzen Videoausschnitt aus meinem Freiheitsdressur Online Intensivseminar, wie ängstlich Fideo am Anfang ist, wie er zwischendurch wirklich total im “Flight-Modus” ist, aber am Ende völlig entspannt und neugierig auf der Plane stehen bleibt.

 

Mit dem Planentest kannst Du also erkennen, zu welcher der 4 Strategien im Umgang mit Gefahren- bzw. Stresssituationen Dein Pferd tendiert. Natürlich ist das keine Garantie dafür, dass Dein Pferd jetzt immer gleich reagiert – je öfter Du solche “Gefahrensituationen” aber bewusst mit Deinem Pferd durchlebst, desto eher kannst Du es einschätzen und seine Reaktion vorhersehen.

Vergiss nicht, es gibt immer auch Ausnahmen!

Jedes Pferd ist ein Individuum mit einem ganz eigenen Charakter. Mir hat dieses Wissen aber schon oft vor allem am Anfang im Training mit meinen Pferden sehr geholfen.

Ich wusste so z.B. viel schneller, wie ich meine Pferde motivieren kann:

Für Kaltblüter sind z.B. Pausen oft das größte Lob, wohingegen sich Vollblüter schwer damit tun, still stehen zu bleiben – sie bleiben lieber in Bewegung und freuen sich oft viel mehr über aufmunternde Worte als eine Pause.

Warum Du Dein Pferd gut kennen solltest

Dieses Wissen hilft Dir also dabei, Dein Training sinnvoller und motivierender für Dein Pferd zu gestalten.

Hast Du beispielsweise einen Pferdetypen, wie unseren schreckhaften Araber zu Hause im Stall stehen, sollte kreative und abwechslungsreiche Arbeit auf Eurem Plan stehen. Damit knüpfst Du ein festes Band zwischen Dir und Deinem Pferd.

So bringt dann auch dieser Pferdetyp nicht erst Kilometer weiten Abstand zwischen sich und “das Raubtier”, bevor er darüber nachdenkt, ob Du noch an Board bist!

Hier heißt das Zauberwort: Neue Gegenstände & Situationen immer wieder kontrolliert meistern – mit viel Geduld und ohne Panik. Das schafft Routine und Vertrauen, für einen entspannten Alltag!

Hast Du stattdessen einen eher stoischen Vertreter seiner Rasse im Training, solltest Du dafür sorgen, ihn bestmöglich zu motivieren, um ihn in Bewegung zu halten. Zum Beispiel mit vielen kleinen Pausen im Training, kurzen Einheiten mit einem ähnlichen Ablauf oder gelegentlichen Leckerlis – das hat sich bei den eher gemütlichen Lerntypen bislang bewährt.

Wenn Du den Typ Deines Pferdes kennst, kannst Du in Zukunft außerdem in vielen Situationen oft schon reagieren, bevor Dein Pferd geflüchtet oder vor Angst erstarrt ist. Das fördert sein Vertrauen in Dich als Leittier Eurer Zweier-Herde und macht Eure gemeinsame Zeit nicht nur entspannter, sondern auch sicherer.

Grundsätzlich gilt: Je öfter Du neue Situationen souverän mit Deinem Pferd meisterst, desto mehr kann es sich in Deiner Gegenwart entspannen – ganz unabhängig davon, welcher Typ Dein Pferd ist.

Versteckt Euch also nicht in Eurer Komfortzone, sondern gebt Eurem Vertrauen die Möglichkeit zu wachsen!

Sicherheit hat natürlich immer oberste Priorität, das sollte Dich aber nicht daran hindern, allerhand Gegenstände mit in Dein Training einzubauen.

Behalte diese rassetypischen Charakter Unterschiede einfach im Hinterkopf. Sie helfen Dir dabei, Dein Pferd in schwierigen Situationen zu führen und nicht selbst von Deinem Pferd geführt zu werden.

Schließlich möchtest Du agieren, anstatt immer nur zu reagieren – nur auf diese Art und Weise gibst Du Deinem Pferd Sicherheit und bist für ihn das “Leittier”, das es sich wünscht.

Auch wenn der Weg mit jedem Pferd am Ende individuell ist und Du auf keinen Fall alle Rassen oder Typen über einen Kamm scheren solltest:

Wenn Du Dein Pferd und sein Verhalten gut kennst und Dich im Training darauf einstellst, bleibt Dein Pferd garantiert viel motivierter und aufmerksamer bei der Sache!

In diesem Sinne ganz viel Spaß beim Ausprobieren!

Deine Kenzie

"So startest Du erste Führübungen in der Freiarbeit..."

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