Warum gymnastizierendes Training so wichtig für Dein Pferd ist
Jetzt wo die Tage wieder kürzer werden und das Wetter langsam aber sicher kühler, beginnt für viele eine Zeit in der die Reithallen und Plätze wieder voller werden.
Für all diejenigen, die nun allmählich mit dem Herbst- und Wintertraining starten, wollte ich daher einfach nochmal aufgreifen, wie ich dafür sorge, dass meine Pferde nicht nur Muskeln aufbauen, sondern auch ganz allgemein besser in ihre Balance finden.
Gymnastizierend arbeiten – warum?
Vielleicht fragst Du Dich aktuell noch, warum Du daran arbeiten solltest, dass Dein Pferd „korrekt“ läuft – und was das eigentlich bedeutet?
Die wichtigsten Vorteile liegen recht schnell auf der Hand: Wenn Du die „richtige“ Muskulatur Deines Pferdes stärkst, kann es Dich länger und vor allem gesund tragen.
Schließlich ist es für Pferde nicht unbedingt natürlich mit einem Reiter und dessen Gewicht auf dem Rücken durch die Gegend zu laufen ? Es hilft also, wenn wir unseren Pferden beibringen, wie sie das möglichst schonend bewerkstelligen können. Schließlich war das ursprünglich vermutlich nicht „so gedacht“.
Abgesehen davon wird Dein Pferd durch korrektes Training auch an Selbstvertrauen gewinnen. Für ein Fluchttier ist es nämlich unabdingbar sich auf seinen Füßen sicher zu fühlen – und damit zu jedem Zeitpunkt in der Lage zu sein vor einer Gefahr zu flüchten.
Bringt der Reiter das Pferd durch sein Gewicht aber aus dem Gleichgewicht und verliert es regelmäßig die Balance ist das Pferd dazu nicht mehr in der Lage. Auch wenn heute natürlich nicht mehr hinter jedem Busch ein Raubtier lauert ist das eine nicht zu unterschätzende Belastung für Dein Pferd – physisch aber auch psychisch.
Es bringt Deinem Pferd also eigentlich nur Vorteile, wenn Du dafür sorgst, dass es „in Balance“ ist, auch wenn das für Dich vielleicht ein hartes Stück Arbeit bedeutet.
Denn Du musst nicht nur lernen, Deinem Pferd die korrekte Haltung und Bewegungsform motivierend zu vermitteln, sondern auch Dein Auge zu schulen um „richtig“ und „falsch“ überhaupt erst einmal unterscheiden zu lernen. „Kopf runter“ reicht nämlich leider nicht – das ist nicht zwingend ein „vorwärts-abwärts“.
Aber nun langsam und von vorn ?
Das korrekte Vorwärts-Abwärts
Das Longieren oder Reiten in der „vorwärts-abwärts“-Haltung ist in fast allen Reitweisen die grundlegende Basis, die sitzen muss, bevor es irgendwann vielleicht in Richtung Versammlung geht. Das Hauptziel dabei ist vereinfacht gesagt, dass das Pferd seinen Hals fallen lässt und dadurch einen Spannungsbogen über Hals, Rücken und Hinterhand aufbaut, der dafür sorgt, dass der Reiter nicht mehr vom Skelett (also der Wirbelsäule des Pferdes) sondern aus Muskelkraft getragen wird.
Das klingt noch etwas abstrakt, daher versuche ich das Bild noch etwas klarer zu beschreiben: Das Pferd soll mit der Nase ungefähr auf Höhe des Buggelenks laufen, die Nase vor bzw. an der Senkrechten, den Rücken aufwölben und dazu mit der Hinterhand fleißig unter treten.
Das bedeutet, dass die Hinterbeine weit nach vorne treten und so „mehr Last“ also mehr Gewicht des Pferdes tragen.
Im Stand trägt die Vorhand übrigens ca. 60% des Körpergewichts und die Hinterhand nur 40%. Sitzen wir dann noch auf unseren Pferden verschiebt sich dieses Verhältnis natürlich noch weiter.
Es macht also durchaus Sinn, die Hinterhand des Pferdes zu stärken um dem entgegen zu wirken – und Bauch- und Rückenmuskulatur schon vom Boden aus entsprechend zu trainieren. Ein Pferd braucht zum Tragen des Reiters und zum aufwölben des Rückens nämlich nicht nur Rückenmuskulatur, sondern vor allem seine Bauchmuskeln!
Daher hilft es meist auch nicht, den Kopf des Pferdes mit Ausbindern in „eine Form zu pressen“, auch wenn ich diese manchmal vor allem Anfang im Training benutze. Es hilft also vor allem das Auge zu schulen, denn auch „mit Kopf unten“ kann ein Pferd den Rücken wegdrücken oder seinen Unterhals trainieren.
Im Folgenden will ich Dir deshalb ein paar Übungen vorstellen, die mir dabei helfen, meine Pferde korrekt zu gymnastizieren – und so für mehr Balance und Geschmeidigkeit sorgen.
Zirkel für den Muskelaufbau
Die wohl am meisten bewährte Methode zum Aufbau der Muskulatur ist sicher das Longieren. Oder das Zirkeln, wie ich es im Rahmen meiner Freiheitsdressur nenne. Das hat jedoch nichts mit stupidem im Kreis laufen zu tun – denn auch dabei kann man sein Pferd sowohl körperlich als geistig fördern und fordern.
Eine gute Möglichkeit um das Pferd „wach“ und motiviert zu halten ist es dabei, viele unterschiedliche Übungen einzubauen und immer wieder zu variieren. Denn so muss sich das Pferd konzentrieren und bei Dir bleiben, um herauszufinden, was Du Dir als nächstes von ihm wünschst.
Dazu eignen sich zum Beispiel viele Übergänge – und die sind gleichzeitig gut fürs Gleichgewicht und den Schub aus der Hinterhand. Vor allem das Antraben oder Angaloppieren ist für Dein Pferd ziemlich anstrengend, da es dabei vermehrt Last auf die Hinterhand aufnehmen muss.
Das trainiert also die Muskulatur und sorgt auf Dauer für mehr Leichtigkeit und Geschmeidigkeit.
Häufig ist die Ursache für Ungleichgewicht nämlich gar nicht die Balance Deines Pferdes an sich, sondern die fehlenden Muckis.
Auch Stangen über die Dein Pferd gehen muss können hier helfen. Denn indem Dein Pferd seine Füße noch höher heben und kontrolliert aufsetzen muss, wird nicht nur seine Koordination besser, sondern auch die Hinterhand- und Bauchmuskulatur wird gestärkt.
Lass los!
Doch was nun tun, wenn das Pferd sich festhält und einfach nicht „loslässt“? Hier können Seitengänge in jeglicher Variation helfen! Am sinnvollsten sind natürlich Übungen wie das Schulterherein oder Kruppeherein. Vor allem am Kappzaum kannst Du dafür sorgen, dass Dein Pferd beginnt sich zu biegen und durch das leichte Übertreten zu dehnen.
Um im Vorfeld sowohl Vorhand als auch Hinterhand zu mobilisieren, hilft es oft auch zuerst im Stand Vorhand- bzw. Hinterhandwendungen abzufragen. Dabei ist es wichtig, dass Du Vorhand und Hinterhand ganz gezielt – und getrennt voneinander – bewegen kannst, und die Drehung nicht irgendwo mittig im Pferd stattfindet.
Neben der Lockerung Deines Pferdes kann das jedenfalls auch eine tolle Vorarbeit beim Anreiten sein, um Deinem Pferd die unterschiedlichen Positionen Deines Beins und die richtige Reaktion darauf zu erklären.
Der schiefe Turm von Pisa?
Wenn Du aber das Gefühl hast, dass Dein Pferd extrem schief ist und sich egal auf welcher Zirkelgröße so gar nicht ausbalancieren kann, solltest Du vielleicht darüber nachdenken, ob Du es nicht mal von einem Tierarzt, Physio, Osteo oder Co. abchecken lässt. Viele Baustellen verschwinden mit der Zeit und fortschreitendem Training von selbst.
Doch es gibt viele Arten von Blockaden oder Verspannungen, die Euch auf Dauer das Leben schwer machen. Im Zweifelsfall hilft oft also einfach eine zweite Meinung. Dann trainiert es sich auch wieder mit besserem Gewissen ?
In meinem Video habe ich noch einmal kurz zusammen gefasst, welche Übungen in Sachen Gleichgewicht und Muskelaufbau helfen können und wie Du Dein Pferd besser gymnastizieren kannst.
Herz über Kopf!
Trotz allem sollte natürlich der Spaß und die Leichtigkeit nicht auf der Strecke bleiben! Viel zu schnell geht man „verkopft“an die Arbeit mit seinem Pferd heran – was dazu führt, dass nicht nur uns im Geist die Losgelassenheit fehlt, sondern am Ende auch dem Pferd.
Gymnastizierende Arbeit sollte nach Möglichkeit also Spaß machen – und wenn nicht, sollte man zumindest für sich und sein Pferd einen goldenen Mittelweg finden. Denn es muss nicht immer hart gearbeitet werden. Manchmal darf auch einfach Raum für ein ausgelassenes Spiel oder ein paar Tricks sein ?
In diesem Sinne viel Spaß beim Ausprobieren!
Deine Kenzie